Psychotherapie oder Coaching

26 November 2019

Markus Thiele

Psychotherapie oder Coaching

Jeder kennt den Satz: „Der gehört doch auf die Couch.“ Und niemand will von diesem gemeint sein. In manchen Bundesländern will man auch bereits in Erfahrung gebracht haben, wo die Reise hingeht: „Der gehört nach Bedburg-Hau, Ochsenzoll …“ – also in eine nahegelegene psychiatrische Klinik.

Es ist der Kontext, in den die psychotherapeutische Behandlung gesetzt wird, der Scham erzeugt. Wenn schon Hilfe, dann doch eine, die einen nicht an den Rand der Gesellschaft drängt, stigmatisiert und für immer unter den Schatten der Unzulänglichkeit stellt. Das Eingeständnis mentaler Überforderung im Job, innerhalb der Liebes- und Freundschaftsbeziehung oder der Familie ist auch heute noch das Eingeständnis einer Schwäche.

Der Begriff Coaching ist nicht mehr bloß dem Sportbereich vorbehalten. Mittlerweile gibt es Einzelcoaching, Teamcoaching sowie Projektcoaching auch im privaten und beruflichen Bereich. Insbesondere Managerpositionen werden begleitend durch ein Coaching reflektiert. Coaching ist der „positiven Psychologie“ zuzuordnen. Der Coach begleitet im Wesentlichen den Weg hin zu einer Lösung. Coaching-Sitzungen thematisieren die Leistungssteigerung der Mitarbeiter, reflektieren den Führungsstil und können die Kompetenzen eines Managers stärken.

Auch in privaten Bereichen wie Wunscherfüllung und Fragen hinsichtlich eines glücklichen Lebens sind Gespräche mit einem zertifizierten Coach beliebt.

Coaching verspricht eine Überwindung der Blockaden, eine Sortierung der Gefühle und ein effektives Vorankommen, ohne das ganze Therapie-Paket buchen zu müssen. Kurzum: Erneuerung durch Fitness. Rein in die Zukunft.

Das Coaching-Gespräch soll Blockaden direkt lösen. Die Psychotherapie wird – im Modus des Ressentiments gedacht – häufig selbst als Blockade verstanden, weil sie die Lösung in der Analyse des Problemverhaltens bzw. dem Durcharbeiten des Wiederholungszwangs sieht.

Der Coach passt deshalb in die „moderne Welt“, weil er eine Art Lifestyle innerhalb seiner Funktion als Berater mit transportieren kann, wohingegen die Psychotherapie den Klienten im Volksmund schnell zum Patienten macht.

Coaching verspricht eine Überwindung der Blockaden, eine Sortierung der Gefühle und ein effektives Vorankommen, ohne das ganze Therapie-Paket buchen zu müssen. Kurzum: Erneuerung durch Fitness. Rein in die Zukunft. Die psychotherapeutische Behandlung – insbesondere die psychoanalytische – ist nicht mit Sportlichkeit, sondern vielmehr mit Bewegungslosigkeit assoziiert: Zurück in die Vergangenheit.

Parallele Ansätze in beiden Bereichen sind aber:

1. Greifbarmachung des Problems durch erneutes Erleben im geschützten Raum
2. Aktivierung der eigenen Ressourcen durch Bewusstmachung der eigenen Stärken
3. Unterstützung bei der selbstständigen Problembewältigung

Die Differenz ist: Das Durcharbeiten unbewusster Mechanismen und des Wiederholungszwangs, das der psychoanalytischen Therapie vorbehalten bleibt.

In beiden Bereichen ist das Verhältnis zwischen Patient und Psychotherapeut sowie Coach und Coachee als Wirkfaktor ausschlaggebend für den Verlauf. Wichtig bleibt bei der Entscheidung Psychotherapie oder Coaching, dass der Coach die Couch nicht ersetzen kann, die Couch aber auch ein guter Coach sein kann.