Angsterkrankungen

04 Mai 2017

Markus Thiele

Angsterkrankungen

Psychoanalytisch betrachtet entstehen Angsterkrankungen vor allem bei Menschen, die in ihrer Kindheit kaum emotionale Zuwendung erhielten beziehungsweise von schmerzlichen Trennungserfahrungen betroffen waren. Die Befürchtung oder die Realität, von den Eltern allein gelassen zu werden oder deren Zuneigung zu verlieren, begünstigt demzufolge die spätere Entstehung von Phobien und anderen Angsterkrankungen.

Phobien, also Ängste vor einer ganz spezifischen Situation oder einem speziellen Tier, sind somit das Resultat eines Abwehrvorgangs, bei dem tieferliegende angstbesetzte Themen verdrängt werden. Hierzu Stavros Mentzos in: “Neurotische Konfliktverarbeitung”: „An Stelle der ursprünglichen Inhalte (Vorstellungen und/oder Gefühle) werden belanglose äußere Situationen gesetzt, das heißt die Angst wird verschoben. Der Hauptabwehrmechanismus bei der phobischen Symptombildung ist die Verschiebung. Hier findet also nicht nur eine Verdrängung und Unbewusstmachung der ursprünglich als gefährlich empfundenen Inhalte statt; aus der inneren Gefahr wird eine äußere konstruiert: eine Gefahr, die den „Vorteil“ hat, dass sie eben leicht vermieden werden kann. Der Kompromiss besteht hier darin, dass auf der einen Seite die entsprechenden Tendenzen unbewusst bleiben und nicht wirksam werden, auf der anderen Seite jedoch, wenn auch in einer verzerrten Form, trotzdem zum Ausdruck kommen.“

Bei der generalisierten Angststörung dominieren anhaltende Sorgen oder Ängste, die viele Lebensbereiche umfassen und nicht auf bestimmte Situationen beschränkt sind. Betroffene haben Angst vor Krankheit, Unfällen, oder ihre Arbeit nicht in der vorgegebenen Zeit oder Qualität bewältigen zu können.

In diesem Zusammenhang spricht man von einer pseudoprogressiven Lösung, da nun einer unreiferen Form der Angstreaktion, der diffusen oder panischen Angst, Vorschub geleistet wird. Dazu Mentzos: „Diese, nach der Verdrängung entdifferenzierte, diffuse Angst wird in einer zweiten Phase nun dadurch vermieden, dass sie „künstlich“ einen Inhalt bekommt und in Furcht verwandelt wird, nämlich in eine Phobie.“ Hierzu auch Ralph R. Greenson: „Eine Phobie ist die Abwehr gegen Angst. Eine Form der Angst wird als Abwehr gegen eine andere Angst benutzt.“

Eine Behandlung, die wie in der klassischen Verhaltenstherapie die Phobie isoliert betrachtet und bei der eine Desensibilisierung beziehungsweise eine Dekonditionierung im Vordergrund steht, kann daher problematisch sein. Die Phobien verschwinden zwar häufig oder sind in ihrer Ausprägung reduziert, es können aber in der Langzeitbetrachtung Symptome ganz anderer Art bis hin zu Depressionen hinzukommen.

Bei der generalisierten Angststörung dominieren anhaltende Sorgen oder Ängste, die viele Lebensbereiche umfassen und nicht auf bestimmte Situationen beschränkt sind. Betroffene haben Angst vor Krankheit, Unfällen, oder ihre Arbeit nicht in der vorgegebenen Zeit oder Qualität bewältigen zu können. Sie durchdenken die befürchteten Situationen immer wieder, ohne zu einer abschließenden Lösung zu gelangen. Die Patienten sind innerlich unruhig, angespannt, nervös und haben häufig Schlafstörungen. Dabei ist ihre Furcht in unrealistischer Weise übersteigert. Und je länger der Prozess dauert, desto stärker werden häufig die Ängste. Die ständige Anspannung wirkt sich früher oder später auch physisch aus, körperliche Beschwerden gehören daher zum Symptomenkomplex der generalisierten Angststörung. Dies ist meistens der Zeitpunkt, an dem sich Betroffene eine psychologische Hilfestellung suchen sollten. 

Häufig steckt hinter der Angsterkrankung ein sogenannter Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt. Hierbei ist die innere Loslösung zumeist von der Mutter nur unzureichend gelungen, weil diese in vielen Fällen die Kinder zur eigenen Stabilisierung heranzog. Damit wird jedoch die Separationsphase der Kinder behindert, der Wunsch, frei das eigene Leben leben zu können, erschwert, sodass es zu unterschiedlichen Ängsten kommt. 

Mit Hilfe einer Psychotherapie können die für die Patienten dabei unbewusst wirkenden Mechanismen bearbeitet werden mit dem Ziel die Angstsymptomatik aufzulösen.