„Wer sich in eine Psychotherapie begibt, hat im wahrsten Sinne des Wortes nichts zu lachen“, schreibt Michael Titze. Vermutlich kein Zufall, dass der Psychoanalytiker auf dem Autorenfoto der Ausgabe seines Buches „Die Heilkraft des Humors“ vom Buchrücken lächelt: „Während das Lachen (…) stets eine aggressive Note enthält, stellt das Lächeln einen „Aggressionspuffer“ dar.“
Er ist Experte auf dem Terrain des Humors: Titze beschäftigt sich mit therapeutischen Erfahrungen, in denen gelacht wird. Therapeutischer Humor ist allerdings mehr, als gemeinsam zu lachen. Er kann gezielt eingesetzt werden, um angstlösende Momente zu schaffen und die Möglichkeit zu provozieren, Situationen neu zu bewerten. Im Wechselspiel des therapeutischen Prozesses zwischen konkreten, manchmal scheinbar banalen Themen und abstrakter Assoziation ist Humor die Ebene, auf der die verschiedenen Assoziationsstränge zusammenfallen. „Der Begriff der Abstraktion meint nämlich nichts anderes, als die Loslösung vom unmittelbar gegebenen Dinglichen, das sich dem Wahrnehmenden „be-greiflich“ darbietet“, stellt Titze fest.
Jedem ernsten Lacher geht ein tiefes Verständnis des Problems voraus. Humor ist die abstrakte Erfassung eines emotional ergreifenden Zustandes. Nur hinter dem „etwas Weglachen“ verbirgt sich die Vermutung, einen inneren Konflikt ausweichen zu wollen.
Dass Lachen „eine aggressive Note enthält“, ist abseits der Schadenfreude nicht intuitiv ersichtlich, jedoch eine seiner zentralen Thesen. Aggression bedeutet lat. Annäherung, jemandem nahe treten. Lustvolle Aggression ist dann vorhanden, wenn gegen die ursprüngliche Angst aus Vernunftgründen eine andersartige Handlungsenergie gesetzt wird. Wie es zum Beispiel dann der Fall ist, wenn ein bedrohliches Tier nicht gemieden wird, sondern die Angst zielgerichtet in den Antrieb verwandelt wird, es zu erlegen, um es zu verspeisen.
Humor gilt als Akt der Selbstbefreiung, in dem er die Grenzen eigener Zwänge auslotet und im Speziellen das Verhältnis im therapeutischen Setting mutig auf seine Nuancen hin überprüft.
Häufige Reaktionen sind ausuferndes Lachen, nachdem dies gelungen ist: „Und wir können abschließend feststellen, dass dieses Lachen nichts anderes darstellt, als den Ausdruck des überwältigenden Erlebens der Harmonie von Geist und Instinkt, nachdem diese beiden Widersacher zunächst in einem Widerstreit miteinander lagen, der mit einer angstvollen Spannung einherging“, sagt Titze.
Die Dimension therapeutischer Wirkung des Humors ist vielfältig und zielt auf die Emotion, Kognition und Kommunikation. Lachen Therapeut und Patient gemeinsam, ist ein unmittelbarer Austausch eines gemeinsamen Verständnisses im Raum, eine Art der Synchronisierung durch tiefe Empathie.
Humor gilt als Akt der Selbstbefreiung, in dem er die Grenzen eigener Zwänge auslotet und im Speziellen das Verhältnis im therapeutischen Setting mutig auf seine Nuancen hin überprüft. Wird das gemeinsame Lachen provoziert und gelingt es die Vernunftbegabtheit zum Taumeln zu bringen, kann ein Perspektivenwechsel gelingen. Jedoch kann das gemeinsame Lachen buchstäblich auch im Halse stecken bleiben, wenn der Patient dahinter – statt einer gesunden Verbindung – Sarkasmus oder Zynismus vermutet.
„Das Lachen ist ähnlich wie das Weinen ein Grenzphänomen. (…) Das Lachen ist sozusagen so eine Fortsetzung des Bemühens mit unserer Lebenswelt fertig zu werden und zwar genau in dem Moment, wo wir eigentlich kurz davor sind zu scheitern oder wo wir schon gescheitert sind. Und wo wir sagen müssen: entweder ist das jetzt zum Weinen oder es ist zum Lachen.“ sagt Uwe Wirth im Deutschlandfunk.
Therapeutischer Humor sollte seine Trotzmacht dort geltend machen, wo Erkenntnissprünge hin zu einem weniger neurotischen Leben möglich werden – dann gibt es sogar in der Psychotherapie einiges zu lachen.