Hans Selye (1907- 1982), ein österreich-kanadischer Mediziner, entwickelte bereits in den 1930er-Jahren die Grundlagen der Lehre vom Stress und vom allgemeinen Adaptationssyndrom oder Selye-Syndrom – ein allgemeines Reaktionsmuster des Körpers auf länger anhaltende Stressreize. Er gilt somit als Pionier der Stressforschung.
Er unterschied positiven und negativen Stress, Eustress und Distress. Ein gewisses Maß an Stress sorgt dafür, dass wir stärker werden und uns entwickeln können. Forscher sprechen von einer „Immunisierung“, durch die wir uns zunehmend gegen mehr und mehr Stress wappnen können. Leichter Stress kann beispielsweise die Wundheilung verbessern und die Immunreaktion stärken. Wichtig ist allerdings, dass Stressphasen nicht zu lange anhalten. Stress als Kurzzeitereignis ist positiv, hingegen als Langzeitzustand zumeist schädlich.
Alia Crum, Psychologin der Stanford University (Kalifornien), fand zusammen mit ihrem Team heraus, dass die Bewertung eines Stressors entscheidend für die körperliche Stressantwort ist. In einem Experiment wurden Probanden in zwei Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen sahen ein Video, das eine vermittelte, dass Stress schwächend, das andere, dass Stress stärkend wirke. Die unterschiedliche Einstellung ließ sich bei Stresstests körperlich nachweisen. Die gegenüber Stress positiv Eingestellten zeigten eine gemäßigtere Cortisol-Antwort. Die physiologische Stressreaktion ihres Körpers war zwar ebenfalls vorhanden, fiel aber moderater und deutlich kürzer aus. Auch der Herzschlag beruhigte sich schneller. Wissenschaftler sehen aufgrund solcher Versuchsanordnungen einen deutlichen Hinweis darauf, dass nicht Stress allein, sondern auch die individuelle Bewertung eine wichtige Rolle spielt.
Wir bewältigen stressreiche Situationen leichter, wenn wir es schaffen, der Situation einen Sinn in unserer Lebensgeschichte zu verleihen und so ein Kohärenzgefühl zu entwickeln.
Dem israelisch-amerikanischer Professor der Soziologie Aaron Antonovsky (1923-1994), Vater der Salutogenese (Gesundheitsentstehung), zufolge bewältigen wir stressreiche Situationen leichter, wenn wir es schaffen, der Situation einen Sinn in unserer Lebensgeschichte zu verleihen und so ein Kohärenzgefühl zu entwickeln. Gleichwohl schadet chronischer Stress, wenn er gegen den eigenen Willen zu geschehen scheint, außerhalb eigener Kontrolle liegt oder kein Sinn in ihm zu finden ist.
Als äußere Stressauslöser werden beispielsweise im Zusammenhang mit dem Berufsleben häufig genannt:
Häufige Unterbrechungen
Ineffiziente Arbeitsabläufe im Unternehmen
Unklare/unvollständige Vorgaben
Zu großes Arbeitspensum
Schlechtes Arbeitsklima
Fehlende Unterstützung
Innere Stressauslöser sind:
Hohe Erwartungen an sich selbst
Nicht Nein sagen können
Keine Hilfe annehmen können
Versagensangst
Keine Bereitschaft zur Delegation
Sind die inneren schädlichen Stressmomente erst einmal ausgemacht und die dahinter liegenden Konflikte verstanden, können neue Freiheiten/Spielräume entstehen, sich von ihnen nicht mehr so “verrückt” machen zum lassen.
Siehe auch: Spiegel vom 28.02.2017