Das auf einer hohen Amplitude stehende dauerhafte Glück ist von der Evolution nicht vorgesehen. Die gute Nachricht ist, dass Glück und Zufriedenheit trotzdem kultivierbar sind. Der Hype um das Glück hat zugenommen und die Forschung hat nachgelegt. Allein deshalb ist der Begriff des Glücks in den verschiedenen Betrachtungsdisziplinen unterschiedlich begrifflich gesetzt.
In der antiken Philosophie ist von der Eudaimonie die Rede, einem Zustand des Glücks oder der Glückseligkeit, den es mittels gelungener Lebensführung nach den Anforderungen und Grundsätzen einer philosophischen Ethik unbedingt zu erlangen gilt.
Die Neurowissenschaft führt Glück auf Dopamin- und Endorphinausschüttungen zurück. Es wird daran geforscht, ob das Glücksempfinden im Gehirn im septo-hippocampalen System lokalisierbar ist. Jeffrey Alan Gray (1970) wird mit seiner biopsychologischen Persönlichkeitstheorie mit dieser Region in besonderem Zusammenhang erwähnt. Der Verhaltensaktivität legt er zwei Systeme zugrunde: Das Verhaltenshemmungssystem (BIS) und das Verhaltensaktivierungssystem (BAS). Das Verhaltenshemmungssystem hängt mit dem Prinzip Bestrafung und der damit verknüpften Vermeidungsmotivation zusammen, während das Verhaltensaktivierungssystem für Belohnung und Motivation verantwortlich ist. Die Nervenzellen dieses Gehirnareals übermitteln die Bildung von sogenannten Glückshormonen (Endorphinen).
Die positive Psychologie setzt darauf, die Glücksanlagen im Menschen durch positives Denken anzuregen, indem dadurch das Gehirn plastisch verändert werden soll. Es geht dabei nicht um die durchaus sehr viel schneller erledigte Verdrängung, sondern um die Änderung der Blickrichtung.
Glückliche Menschen sind bis zu 37 Prozent leistungsfähiger als unglückliche, sie sind gesünder und widerstandsfähiger, und Arbeitslosigkeit verringert das Glücksempfinden wegen des Verlusts des Selbstwertgefühls drastisch.
Tobias Esch sagt in seinem Buch “Die Neurobiologie des Glücks – Wie die positive Psychologie die Medizin verändert“: „Die individuelle Ausgestaltung des Gehirns und seiner Einpassung in die eigenen Lebensverhältnisse sind Vorgänge eines lebenslangen Lernens, die zwar Anstrengungen und Herausforderungen für uns bedeuten aber – wie wohl fast immer im Leben –, über den Weg des selbständigen Erarbeitens und Bewältigens zum echten Glück und innerer Belohnung gelangen zu können.“
Statistisch gilt: Glückliche Menschen sind bis zu 37 Prozent leistungsfähiger als unglückliche, sie sind gesünder und widerstandsfähiger, und Arbeitslosigkeit verringert das Glücksempfinden wegen des Verlusts des Selbstwertgefühls drastisch. Andersherum gilt aber: Mehr Freizeit bei gutem Gehalt steigert das Empfinden mehr als eine Gehaltserhöhung. Der Glückseffekt einer Ehe ist bei Männern höher als bei Frauen. Väter sind um 16 Prozent glücklicher als Männer ohne Kinder, Frauen mit gegenüber Frauen ohne Kinder sogar 28 Prozent. Aber vor allem gilt: „Aus einer Person mit sehr geringem Wohlbefinden kann kein Glückscoach der Welt einen superglücklichen Menschen machen.“ (Maike Luhmann)
Was dem Glück neben statistischer Erfassung und Messbarkeit von Hormonausschüttungen zu eigen ist, ist, dass es ein Empfinden beschreibt, das nicht bloß erstrebenswert, sondern auch lebensnotwendig ist. Die Frage ist: Wie kann Glück kultivierbar sein, wenn die Umstände eigentlich eher auf Leid schließen lassen?
Glück bedeutet nicht immer nur in Sphären reiner Harmonie zu schwelgen. Glück steht im dialektischen Zusammenhang mit Leid und kann deshalb nicht ohne dieses gedacht werden. Glück bedeutet nicht bloß die Abwesenheit von Schmerz oder etwas Negativem. Glück ist nämlich auch direkter Kontakt zur Realität, Kontakt mit der eigenen Erfahrung und die Erfahrung des In-Beziehung-Seins. Es gibt das sehr kurze, das mittellange und das sehr lange Glück, sagt Stefan Sagmeister, der Regisseur des „The Happy Film“, das sich vom kurzen Glücksmoment bis hin zum Erschließen des eigenen Lebenszwecks ausdehnt.
Glück ist eben auch selbstverantwortliches Handeln und individuell herstellbar. Wer allerdings zwanghaft und verbissen versucht, diesen Zustand herzustellen, wird genau das Gegenteil erfahren. Denn so wie bei Sartre die Verantwortung zur Freiheit wesentlich den Menschen bestimmt, muss man Verantwortung für das Glück übernehmen. Jedoch gilt es nicht im Vergleich mit anderen dabei, die Möglichkeiten des Glücks zu ersticken. Denn nur, weil Glück herstellbar ist, ist man nicht ungenügend, weil gerade keines empfunden wird. Autark zu sein, ist wohl das doppelte Zugegensein von Glück: Auf diese Weise, selbstbestimmt sein Glück zu finden, liegt das Glück bereits in der Selbstbestimmtheit, bevor man es gefunden hat. Unglück ist ansteckend, Glück aber auch. Glück ist nicht Einzigartigkeit, sondern den Einklang mit anderen zu finden.
Wer also das Glück sucht, sollte seine Beziehungen prüfen. Die zu sich, die zu den anderen. Ihre Beständigkeit ist dabei ausschlaggebend und nicht ihr quantitatives Vorkommen im Alltag.